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Heimische Wasserstoff-Produktion als Eckpfeiler der Energiezukunft

Wasserstoff wird künftig in Deutschland über Importe und heimische Erzeugung verfügbar sein. Derzeit importiert Deutschland etwa 70% der Primärenergie(1), und es davon auszugehen, dass auch künftig sehr große Mengen an Wasserstoff nach Deutschland importieren werden. Doch auch die Bundesrepublik hat sich mit der Nationalen Wasserstoffstrategie das Ziel gesetzt, bis 2030 zehn Gigawatt Elektrolyseleistung aufzubauen. Diese wird durch einen Mix aus großen Elektrolyseuren mit mehreren 100 MWel an zentralen Produktionsstandorten und kleineren Elektrolyseuren bereitgestellt werden. Die dezentralen Elektrolyseure mit einer Leistung in der Größenordnung von 10 MWel - wie im TH2ECO-Projekt - bieten dabei einige Vorteile und sind essentiell, um das Energiesystem der Zukunft nachhaltig aufzubauen.

Das TH2ECO Wasserstoff-Ökosystem wächst und entwickelt sich von einer H2-Insel, die sich zunächst nach Osten und nach Süden erweitert und schließlich zu einem Teil des entstehenden Wasserstoffnetzes wird. Die ursprünglich angedachten Projektphasen werden durch die jüngsten Entwicklungen zeitlich gestaucht und die Anbindung an das überregionale Wasserstoff-Kernnetz kommt bereits früher nach Thüringen als ursprünglich gedacht, nämlich in 2028 anstelle von 2030+ (so der aktuelle Planungsstand). Grund genug, sich mit der Frage auseinanderzusetzen:

Braucht es die "kleinen" Elektrolyseure aus TH2ECO eigentlich noch, wenn die überregionale Anbindung an große H2-Importkapazitäten kommt?

TH2ECO sagt: "Ja, auf jeden Fall!"

Im Folgenden gehen wir auf die Vorteile dezentraler H2-Produktion ein:

→ Schnellere Verfügbarkeit
→ Netzdienlichkeit
→ Systemdienlichkeit
→ Lokale Wertschöpfung und Steigerung der Energie-Unabhängigkeit

Schnellere Verfügbarkeit von lokal produziertem Wasserstoff

Der ausländische Wasserstoffmarkt erfährt vor allem an den wind- und sonnenreichen Standorten wie Spanien, UAE (Vereinigte Arabische Emirate) oder Saudi-Arabien einen Hochlauf, da hier eine besonders hohe CAPEX-Effizienz in der Gestehung von Grünstrom erreicht werden kann. Die Problematik liegt jedoch im Transport und Import, da es aktuell (noch) keine überregionale Leitungsinfrastruktur gibt, die H2-Produktion und Abnehmer miteinander verbindet. Zu diesem Zweck soll ab 2027 sukzessive ein Wasserstoff-Kernnetz in Deutschland entstehen.

Die Wasserstoffnachfrage in Thüringen (und auch anderswo) ist jedoch bereits jetzt vorhanden. Im Projekt TH2ECO wird ein Teil der bestehenden Gas-Leitungen sowie der -Speicher in Kirchheilingen für den Einsatz von Wasserstoff umgewidmet. Dadurch werden auf lokaler Ebene die Verbraucher, bspw. aus der Stahl- und Papierindustrie mit den Elektrolyseuren, die an der Leitung platziert werden, verbunden. Die Leitungen sollen bereits ab 2025 auf Wasserstoff umgestellt werden und machen den „Thüringer Wasserstoff“ damit schneller verfügbar als den ausländischen Import. Durch die Weiternutzung vorhandener Infrastruktur können zudem Emissionen, Ressourcen und Kosten minimiert werden.

Netzdienlichkeit führt zu Kosteneinsparung

Ein wesentlicher Vorteil der lokalen Wasserstoffproduktion ist die direkte Nutzung von regional erzeugtem Grünstrom aus Wind- und Photovoltaikanlagen. Dezentrale Elektrolyseure können mit einer Direktleitung zu Wind- und PV- Anlagen errichtet werden, was zu einer erheblichen Reduktion der Netzentgelte führt. Kurze Leitungswege und der Verzicht auf die Erschließung bis zur Höchstspannungsebene tragen dazu bei, dass die Kosten für den Stromnetzausbau gesenkt werden.

Die Elektrolyseure können als flexible und variable Lasten betrieben werden und als regelbare Verbraucher zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen. “Nutzen statt Abregeln”: Bei hoher Stromnetzauslastung, z. B., wenn besonders viel Grünstrom vorhanden ist, können Elektrolyseure als Verbraucher zugeschaltet werden, wodurch Engpässe im Stromnetz vermieden, Redispatch Maßnahmen verhindert und die Kosten für den Netzausbau gesenkt werden können. Damit reduzieren sich die Abregelungen von Wind- und PV-Anlagen theoretisch um bis zu 27 %, dies spart Kosten und Ressourcen(2).

Systemdienlichkeit: Flexibilität und Netzstabilität durch dezentrale Elektrolyseure

Dezentrale Elektrolyseure an bereits erschlossenen Flächen, wie bspw. Gewerbegebieten, bieten die Möglichkeit, Wasserstoff dort zu erzeugen, wo er auch verbraucht wird. Dies reduziert  Transportkosten und ermöglicht eine bessere Integration in das bestehende Energiesystem. Eine aktuelle Publikation des EWI (2024) hebt besonders hervor, dass für kleine Elektrolyseure (< 10 MWel) die regionale Wasserstoffnachfrage ein wichtiges Kriterium in der Standortwahl ist.

Eine symbiotische Einbettung des Elektrolyseurs ermöglicht neben der Nutzung von lokalen Grünstrompotentialen auch die Belieferung mit grüner Wärme und Sauerstoff, die bei der  Wasserstoffherstellung entstehen. Beispielsweise kann der erzeugte Sauerstoff in Krankenhäusern als medizinischer Sauerstoff oder in Klärwerken zur Wasseraufbereitung verwendet werden. Die Abwärme kann für industrielle Prozesse oder zur Beheizung von Gebäuden genutzt werden, was die Prozesseffizienz weiter erhöht.

Stoff- und Energieströme bei der Wasserelektrolyse:

Lokale Wertschöpfung: Stärkung der regionalen Wirtschaft und Steigerung der Energie-Unabhängigkeit

Durch die lokale Produktion von Wasserstoff bleibt die Wertschöpfung in der Region, wodurch die wirtschaftliche Basis gestärkt wird. Dies bedeutet nicht nur die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Produktion und im Betrieb der Anlagen, sondern auch in angrenzenden Bereichen wie der Logistik und dem Anlagenbau. Darüber hinaus profitieren die Gemeinden durch zusätzliche Einnahmen aus der Gewerbesteuer, was wiederum die regionale Infrastruktur und den sozialen Zusammenhalt stärkt. Zudem wird Wasserstoff ein wichtiger Bestandteil des zukünftigen Energiemix sein. Um die Risiken der Energieimporte zu minimieren, müssen die Bezugsquellen möglichst diversifiziert werden. Der Aufbau einer lokalen Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ist daher unerlässlich.

 

Fazit

Die lokale und dezentrale Wasserstoffproduktion (nicht nur) in Thüringen bietet zahlreiche Vorteile und ist eine wichtige Ergänzung zu Wasserstoff-Importen aus dem Ausland. Lokale H2-Produktion fördert die regionale Wirtschaft, schafft Arbeitsplätze, erhöht die Prozesseffizienz der Elektrolyse und die Flexibilität der Energieversorgung und trägt direkt zur Erreichung der Klimaziele bei. Damit wird Thüringen nicht nur unabhängiger von internationalen Energieimporten, sondern setzt als Vorreiter ein starkes Zeichen für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Energiepolitik!

 


Quellen

(1) Daten des Umweltbundesamts; https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/primaerenergiegewinnung-importe (abgerufen am 22.07.2024)

(2) Cao, Karl-Kiên & Heide, Dominik & Pregger, Thomas. (2015). Vergleich des Einflusses zentraler und dezentraler Wasserstoffinfrastrukturen auf die zukünftige Stromversorgung Deutschlands. 10.13140/2.1.2510.6724